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Haushaltsrede 2011 Alternative Liste Waiblingen

am 27. November bei der Volksabstimmung werde ich mit Ja und somit für den Ausstieg aus der Finanzierung des Projekts Stuttgart 21 stimmen. Stuttgart 21 beherrscht zurzeit die politischen Diskussionen in unserer Region. Hier kommt ganz klar zum Ausdruck, dass Stuttgart 21 gegen den Willen der Menschen durchgesetzt worden ist. Dabei hat die Arroganz der Macht eine große Rolle gespielt und dazu beigetragen, dass viele Menschen jeglichen Alters zum ersten Mal in ihrem Leben auf die Straße gingen. Dieser Art von Politik und diese Arroganz wurde dann bei der Landtagswahl zu Recht abgestraft.
Manche Politiker lernen es nie, denn die Diskussion um den Volksentscheid jetzt wird von manchen genau so von oben herab geführt wie bisher. Ohne zu bedenken, dass alle Menschen, darunter auch viele, die erstmalig in ihrem Leben die Gefahr der Wasserwerfer auf sich genommen haben, mit entscheiden wollen. Die Argumentation der S-21-Anhänger, darunter auch sie, Herr Hesky, dass die Gegner des Tiefbahnhofes keine Alternativen vorzuweisen hätten, ist eine glatte Frechheit. Es ist in der Diskussion immer wieder dargestellt worden, dass die bessere Alternative zu S 21 die Sanierung, Instandsetzung und Modernisierung des Kopfbahnhofes ist. Nicht nur kostenmäßig, sondern auch technisch ist der Kopfbahnhof der Untertunnelung halb Stuttgarts klar überlegen. Deshalb sind alle Organisationen die sich seit Jahrzehnten für den Ausbau der Bahn einsetzen, z.B. VCD, ProBahn, BUND und andere, für den Erhalt des Kopfbahnhofes.
In keiner Diskussion, auch nicht am Montag in der Kreistagssitzung, wurde auf die Wettbewerbssituation unserer Stadt mit der Metropolstadt Stuttgart eingegangen. Ich möchte hier einen Punkt ansprechen, den Sie, Herr Hesky, in der Kreistagssitzung nicht eingebracht haben. Der Gemeinderat der Stadt Waiblingen und auch Sie als Verwaltungsspitze diskutieren seit Jahrzehnten, und geben viel Geld dafür aus, um dem Kaufkraftabfluss aus Waiblingen heraus nach Stuttgart zu unterbinden und die Kaufkraft hier in der Stadt zu behalten.
Mit der Realisierung von Stuttgart 21 und ihrer Befürwortung sind Sie bereit, unserer Konkurrenz bessere Wettbewerbsbedingungen zu schaffen und die Stadt Waiblingen finanziert dies mit 2,6 Millionen.
Denn Stuttgart 21 bedeutet auch, laut Befürwortern, eine Steigerung der Einkaufsmöglichkeiten auf dem jetzigen Bahngelände. Wenn diese Situation erst einmal eingetreten ist, werden wir wiederum mit großem finanziellen Aufwand dagegen steuern müssen, damit unsere Innenstädte nicht veröden.
Besonders verwundert mich, dass die Stadt Waiblingen ohne Widerspruch akzeptiert, dass mit S21 für die S-Bahnen 2 und 3 die Endstation Schwabstr. sein wird. Somit gibt es für Waiblingen keine direkte S-Bahnverbindung mehr zur Universität und Flughafen. Ein klarer Wettbewerbsnachteil für Waiblingen und ein gewichtiger Grund für mich, am 27. November mit Ja zu votieren. Und jede Waiblingerin und jeder Waiblinger, der es so wie ich sieht, dass wir es nicht zulassen dürfen, mit unseren eigenen finanziellen Mitteln unsere Konkurrenz aufzubauen, sollte ebenfalls mit Ja stimmen.
Theorie und Praxis sind und waren bei der Bahn immer zwei ganz unterschiedliche Dinge. Wer heute glaubt, dass in 15 Jahren die Fahrstrecken und die Fahrzeiten die sein werden, die uns von den Befürwortern von S 21 dargelegt werden, muss viel Glauben an die Bahn und an die Politik mitbringen. Ich bin überzeugt davon, dass in den kommenden Jahren auf jeden Fall aufgrund von neuen Technologien es im Bahnbereich zu Fahrzeitverbesserungen wie in der Vergangenheit immer wieder geschehen, kommen wird. Deshalb sind die paar Minuten, die man für eine Strecke sich eventuell sparen kann, für so ein Projekt nicht relevant. Wichtiger ist, sich darüber im Klaren zu sein, dass die jetzigen bereits veranschlagten Milliarden weit, weit übertroffen werden. Ich mache nur ein Beispiel: Die Rathaus-Sanierung in Waiblingen, obwohl im Vergleich zu S 21 nur ein klitzekleines Projekt, hat den veranschlagten Kostenrahmen bei weitem gesprengt. 
Mit der Überzeugung, dass der Landesanteil an der Finanzierung, worum es auch bei diesem Bürgerentscheid im Kern geht, besser für die Sanierung des Kopfbahnhofes ausgegeben werden sollte, hoffe ich, dass das Quorum erreicht wird und eine Mehrheit für den Ausstieg votiert. Deshalb fordere ich alle Waiblingerinnen und Waiblinger dazu auf, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen und am 27. November mit Ja zu stimmen!

Bürgerschaftliches Engagement

Fortführen möchte ich meine Haushaltsrede mit dem Dank an unsere Waiblinger Bürgerinnen und Bürger, die sich ehrenamtlich in unserer Stadt und für unsere Stadt engagieren.
Diese ehrenamtlich tätigen Bürgerinnen und Bürger, sei es in sportlichen, kulturellen, karitativen Einrichtungen oder in anderen Bereichen, verdienen unsere Hochachtung. Wir alle konnten in den letzten Jahren feststellen, dass unsere Stadt ohne das Engagement dieser Bürgerinnen und Bürger an vielen Stellen nicht funktionieren würde.
Einer dieser ehrenamtlich oder bürgerschaftlich tätigen Organisationen ist die Bürgerinteressengemeinschaft Waiblingen-Süd, kurz BIG genannt, die jetzt auch in der letzten Woche mit dem Förderpreis der Region Stuttgart ausgezeichnet wurde.
Diese Gruppe benenne ich nicht, um den Eindruck zu erwecken, dass BIG die wichtigste Gruppe wäre in unserer Stadt, sondern ich erwähne sie deshalb, weil sie dazu beigetragen hat, dass wir den Satzungsbeschluss über die Entwicklung am Rötepark so wie jetzt gefasst, das heißt, mit zahlreichen Anregungen und Ideen aus der Bürgerschaft - fassen konnten. 
In dieser Diskussion hat sich gezeigt, wie wichtig es ist, dass wir die Menschen in unserer Stadt grundsätzlich bei allen wichtigen städtebaulichen Projekten mit ins Boot nehmen. Sowohl das Bauprojekt Untere Röte als auch die Soziale Stadt insgesamt wäre ohne die dort ehrenamtlich tätigen Mitbürgerinnen und Mitbürger sicher so nicht gekommen. Ich weiß, manche im Gemeinderat und manche in der Verwaltung haben den nachdrücklichen Einsatz und die Forderungen von BIG Süd als lästig und störend empfunden.
Doch wenn wir der Überzeugung sind, dass die Bürgerschaft sich einbringen kann, soll und muss, müssen auch wir in der Politik respektieren, dass es Menschen gibt, die sich für ihre Ziele kämpferisch einbringen.
Deshalb dürfen wir diese Menschen nicht als Querulanten abstempeln, wie dies einige gedacht haben, sondern müssen diesen Menschen dankbar dafür sein, dass sie mit ihren Gedanken uns positiv beeinflussen und das Gemeinwesen in unser aller Interesse nach vorne bringen.

Ausgezeichnet mit dem Förderpreis der Region Stuttgart wurde letzte Woche auch die Gruppe Liebelle aus Waiblingen-Hegnach, eine Gruppe, die sich sehr engagiert für das Naturerlebnis von Kindern einsetzt. Auch das ist ein weiteres Zeichen dafür, dass es lohnt, sich in unserer Stadt ehrenamtlich einzusetzen.

Jugendfarm

In diesem Zusammenhang möchte ich auf ehrenamtliches Engagement hinweisen, dass zwar von der Verwaltung positiv aufgenommen wurde, aber nicht nachdrücklich genug:
Die Einrichtung einer Jugendfarm in Waiblingen. Die ALI-Fraktion hat dies bereits vor mehreren Jahren mit einem Haushaltsantrag beantragt. Ein Trägerverein mit zahlreichen engagierten Mitgliedern ist bereits gegründet und wartet nur darauf, dass es endlich losgehen kann. Ich hoffe und wünsche mir, dass die Verwaltungsspitze diese Bürgerinnen und Bürger nicht enttäuscht, sondern jetzt die Umsetzung rasch ermöglicht.
Wir sind sehr froh darüber, dass in diesem Sinne für 2012 bereits 50.000 € für den ersten Spatenstich bereit gestellt wurden.

Jetzt möchte ich auf nur zwei Anträge der ALI-Fraktion eingehen, um auch darzustellen, vor den weitergehenden Haushaltsberatungen, warum wir der Überzeugung sind, diese Anträge stellen zu müssen.

Erstens: Kreisverkehr Hegnacher Höhe (Klinglestalstraße)

Seit die Westumfahrung gebaut wurde, ist es unwidersprochen, dass die Klingestalstraße leider, wie von der ALI-Fraktion bereits beim Bau der Westumfahrung befürchtet, eine wichtige Funktion übernommen hat als Zubringer für die Westumfahrung. Auf ihr fließt heute wesentlich mehr Verkehr als in den Jahren zuvor, was insbesondere an der Einmündung in die L 1142 zu einer verstärkten Gefahrensituation führt. Wer in die L 1142 einfahren will, muss viel Geduld und Übersicht mitbringen, damit er diese Gefahrenstelle ohne Unfall passieren kann.
Wir sind aufgefordert, diese Gefahrenstelle, die sich dort bei der Einmündung in die L 1142 neu gebildet hat, zu beseitigen. Auf keinen Fall dürfen wir diese Gefahrenstelle vernachlässigen und darauf warten, bis etwas passiert, denn ich bin, wie viele andere Bürgerinnen und Bürger, die uns in den letzten Monaten hierauf angesprochen haben, der Überzeugung, wenn es hier zu einem Unfall kommt, wird es ein Unfall mit schwersten Folgen sein. Deshalb beantragen wir, dass an dieser Stelle ein Kreisverkehr eingerichtet wird.

Zweitens: Baukindergeld

Die alternative Liste, dies ist unser zweiter Haushaltsantrag in diesem Jahr, den ich anführen möchte, beantragt die Streichung des Baukindergelds. Das Baukindergeld ist angesichts unserer angespannten Kassenlage nicht mehr zeitgemäß.
Es profitiert davon nur eine kleine Anzahl von Familien, während gleichzeitig an den Schulen dringende Maßnahmen nicht durchgeführt werden können. In den Jahren 2009 und 2010 wurden circa 1,7 Millionen Euro für Baukindergeld aufgewendet. Gleichzeitig gab es enorme Engpässe bei der notwendigen Sanierung von Schulen und Kindergärten. In den letzten Jahren wurde aus Geldmangel zum Beispiel an der Salierschule nur die Hälfte aller Schulklassen mit neuen Möbeln ausgestattet, die andere Hälfte sitzt nach wie vor auf 40 Jahre alten Stühlen. Dennoch wird gleichzeitig das Baukindergeld weiter an wenige, privilegierte Familien ausbezahlt.
Die finanziell angespannte Situation ist aber nicht der einzige Grund, warum die ALI-Fraktion der Meinung ist, dass wir das Baukindergeld nicht weiter aufrecht erhalten können. 
Diese Vergünstigungen tragen nämlich zusätzlich dazu bei, dass die Versiegelungspolitik in der Stadt weiter stark gefördert wird. Wir können es uns aber aus ökologischen Gründen nicht mehr leisten, weiter mit unserem wertvollen Gut Boden so umzugehen und so zu tun, als hätten wir unendliche Reserven an Boden zur Verfügung. Wie ich bereits an anderer Stelle gesagt habe, hat sich die Mehrheit des Gemeinderats in einer einzigen Sitzung dafür ausgesprochen, sage und schreibe 12 ha Land zu versiegeln. Wir sind hingegen aufgefordert, finanzielle Anreize für eine nachhaltige Stadtentwicklung zur Verfügung zu stellen. Wir denken hierbei vorrangig an finanzielle Unterstützung von Modernisierungen, die den Energieverbrauch in Altbauten senken.

Flächennutzungsplan

Lassen Sie mich im Zusammenhang mit dem Flächenverbrauch kurz auf unseren Flächennutzungsplan eingehen. In den letzten Jahren haben wir viele Innenentwicklungsmaßnahmen ergreifen können. Wir konnten mehrere größere Baulücken in unserer Stadt schließen und bebauen. 
Wir sind deshalb aufgefordert, Verzicht zu üben auf manche Gebiete in unserem Flächennutzungsplan, von denen wir wissen, dass sie ökologisch wertvoll sind. Die Argumentation, dass viele Grundstücke im Flächennutzungsplan keine Kosten verursachen, wurde in der letzten Planungsverbandsversammlung widersprochen. Jede überörtliche, regionale wie überregionale, Maßnahme, sei es auch nur eine Kabelverlegung, richtet sich nach den in den Flächennutzungsplänen ausgewiesenen Flächen.Deshalb dürfen wir keine zusätzlichen Planungskosten verursachen, und Flächen, von denen wir wissen, dass sie künftig nicht bebaut werden, müssen aus dem Flächennutzungsplan entnommen werden.

Schuldenkrise

Insgesamt gesehen, hat der Haushaltsentwurf für 2012 keine Überraschungen gebracht. Bedauerlicherweise lässt die Finanzplanung für die Jahre 2013 - 2015 eine große Finanzierungslücke erkennen. Die Schulden werden voraussichtlich weiter steigen und die Realisierung wichtiger Projekte müssen vermutlich aus Kostengründen verschoben werden. Durch die von der Bundesregierung angedachte Einkommenssteuerreform drohen den Kommunen Einnahmeverluste von 900 Millionen Euro. Über dem ganzen hängt zudem das Damoklesschwert der internationalen Finanzkrise.
Ich wünschte mir, dass die Verwaltung in Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat in der Lage wäre, eine Grundsatzdebatte darüber zu führen, wie wir in den kommenden 3 bis 4 Jahren eine Nullverschuldung eingehen können. Ich bin überzeugt davon, dass wir jetzt, wo wir nach meiner Einschätzung alle gewünschten Prestigeobjekte wie die Galerie, das Haus der Stadtgeschichte und so weiter realisiert haben, eine gute Grundlage dafür haben, um über diese Möglichkeiten der Nullverschuldung zu diskutieren.

Ausdrücklich möchte ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadt bedanken, die wiederum in diesem Jahr wie auch in den vergangenen Jahren dazu beigetragen haben, dass man sich in Waiblingen sowohl als Bürgerin und Bürger dieser Stadt als auch als Besucher wohl fühlen kann.

Meinen Redebeitrag beende ich mit einem kalabresischen Sprichwort:

Viatu chin far'u pani, e amaru chin' aspetta a pitta!

Dies bedeutet, etwas frei übersetzt: Lieber das Machbare angehen als Illusionen und Utopien nachzugehen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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