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Haushaltsrede 2015 Alternative Liste Waiblingen

Sehr geehrter Herr Hesky, sehr geehrte Frau Dürr, sehr geehrte Frau Priebe,

sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger von Waiblingen, liebe Vertreter der Presse, werte Kollegen und Kolleginnen aus dem Gemeinderat

 

Der Haushalt, der uns nun zur Beratung vorliegt, ist der Erste in Doppikform. Dies ändert aber nichts am Inhalt, es sind auch vor allem viele Zahlen. Doch diese Zahlen haben eine hohe Bedeutung Die finanzielle Situation von Waiblingen kann sich im Vergleich zu anderen Kommunen der Region sehen lassen. Dabei gibt es einige Risiken, vor allem bei der Gewerbesteuer. Diese ist mit 40 Millionen veranschlagt - ob wir diesen Betrag erhalten werden, ist angesichts der wirtschaftlichen Lage auf jeden Fall mit Fragezeichen zu versehen.

Weitere Fragezeichen am Haushalt sind die Höhe der Kreisumlage und dass die laufende Kredite mit extrem niederen Zinsen finanziert sind.

Die Form der Doppik bringt eine große Chance zum einen, dass wir unser städtisches Vermögen beziffern können und endlich wissen, was wir haben und zum anderen können wir die Möglichkeit nutzen, durch Abschreibungen die notwendigen Mittel zur Werterhaltung sichtbar zu machen.

Der wirtschaftliche Mix in Waiblingen aus Groß- und Kleinbetrieben, aus Handel, Dienstleistung und gewerblicher Produktion scheint weniger krisenanfällig als in anderen Kommunen zu sein. Aus unserer Randlage zu einer Metropole ist die Kaufkraftbindung schwer zu schaffen. Wir haben wenig Umland - besser gesagt: wir sind Umland.

Das meiste unseres Vermögens ist in Beton angelegt: Schulen, Sporthallen, Feuerwehrgerätehäuser, Verwaltungsgebäude usw. Dieses Vermögen muss gepflegt und erhalten werden. Wir geben zur Zeit viel Geld aus für Renovierungen und energetische Sanierungen. Es kommt oft die Diskussion auf, ob ein Neubau nicht billiger und sinnvoller wäre. Doch dürfen wir bei einer nachhaltigen Politik nicht nur den finanziellen Rahmen betrachten, sondern auch wie viele andere Ressourcen gebraucht werden. Renovierungen schonen viele Ressourcen wie z.B. die Energie zur Zementherstellung. Zur Zementherstellung werden ca. 880 Kilowattstunden Strom und Wärme je Tonne benötigt - Zementherstellung macht ca. 6-9 % des weltweiten CO2 Ausstoßes aus. Zuschlagsstoffe müssen nicht abgebaut oder hergestellt und transportiert werden. Vor allem werden keine neue Flächen versiegelt.

Dies sind viele Gründe, wieso Renovierung vor Neubau gehen sollte.

Überhaupt sollten wir unseren Lebensstil hinterfragen Wir nutzen Energie und fragen uns wenig, woher sie kommt. Es wird die Nutzung von Windenergie vor Ort in Frage gestellt Aber gleichzeitig werden Energiemengen gefordert für Mobilität, für Ernährung, für Live Style und Warenfluss. Selten wird gesagt: ich bin gegen die Nutzung von dieser oder jener Energiequelle, deshalb verzichte ich jetzt auf dies oder jenes. Dafür sind wir bereit, unsere Lebensgrundlage in Frage zustellen und nicht unseren Lebensstil.

Eine große Herausforderung und Chance in den nächsten Jahren wird sein, ob wir nicht nur in der Lage sind Flüchtlinge aufzunehmen, sondern sie auch zu integrieren. Dabei ist die gesamte Gesellschaft gefordert.

Wir leben trotz einer gewissen sozialen Spaltung in einem glücklichen Land.

Ich bin 57 Jahre alt habe noch nie in meiner Heimat Krieg und Vertreibung erlebt und ich hoffe, dass es so bleibt. Und ich kann mich noch gut daran erinnern, dass eine Tagesreise von uns im ehemaligen Jugoslawien vor 20. Jahren es anders war.

Waiblingen rühmt sich, eine Bildungsstadt zu sein. Wir haben sogar seit neustem eine Hochschule, aber auch und vor allem 3 Bildungszentren und zusätzlich 7 Grundschulen in städtischer Regie, dazu Kunst-, Musikschule und Kindersportschule, das Kreisberufsschulzentrum sowie weitere Bildungseinrichtungen von kirchlichen und privaten Trägern. Ein Defizit besteht im Bereich Natur und Technik. Mit den Orientierungsplan Plus für die Vorschuleinrichtungen ist zwar ein Einstieg geschaffen und durch die Jugendfarm ein Schritt in diese Richtung getan, doch dies muss noch mit Leben erfüllt werden.

Unser Schwerpunkt liegt aber in der Sicherstellung der Ganztagsbetreuung in Kindergärten und Schulen. Dies bedeutet eine Herausforderung und Chance für die Jugendarbeit der Vereine, aber auch für die Stadt. Durch die Verlagerung der oft ehrenamtlichen Jugendarbeit in den zeitlichen Bereich der Regelarbeitszeiten kann dies nur noch schwer durch ehrenamtliche Betreuer durchgeführt werden. Für hauptamtliche Betreuer und Honorarkräfte fehlt vielen Vereinen das Geld für eine angemessene Bezahlung. Die Ganztagsbetreuung sollte mehr professionalisiert werden, weil das Ehrenamt damit überfordert ist. Ganztagsbetreuung ist Bildung und Freizeit zugleich und wir sind gefordert, dafür einen Rahmen zu schaffen.

Die Heimattage sind vorbei, das nächste Event, die Interkommunale Gartenschau 2019 steht vor der Tür. Ein Projekt von 16 Städten und Gemeinden, welches das Remstal verbinden soll. Auch wenn sich einige Gemeinde sich zur Zeit überlegen auszusteigen, wird es eine andere Gartenschau wie gewohnt geben. Und dies ist die Herausforderung: zum einen müssen 16 Kommunen unter einen Hut gebracht werden, zum anderen gibt es keine Schau der Blumenbeete, sondern die Entwicklung einer Landschaft, in der Naturschutz und Interessen der Touristischen Nahentwicklung zu verbinden sind. Ob wir einen Leuchtturm der bürgerschaftlichen Beteiligung schaffen wie in Schwäbisch Gmünd dieses Jahr, ist schwer vorstellbar, aber wir sollten daran arbeiten. Es ist Zeit dafür einen Rahmen zu schaffen.

Waiblingen ist eine polyzentrische Stadt mit den verschiedenen Modellen der bürgerschaftlichen Vertretung in Ortschaften, Stadtteilen und Quartieren, zum einen die Ortschaftsräte, welche den Charakter eines beschließenden Ausschusses haben, zum andern die Bürgerschaftlichen Vereine .Welches Modell besser ist, kann ich nicht sagen, beide Modelle haben Vor- und Nachteile. Allerdings gibt es eine ungleiche Behandlung zwischen Ortschaften und der Kernstadt welche nach 40. Jahren auf den Prüfstand gehört. Wir sollten uns dieser Situation annehmen und einen Prozess einleiten, um eine Lösung dafür zu finden. In unserer Partnerstadt Mayenne gibt es bei knapp 15000 Einwohnern 4 Nachbarschaftsräte.

Hat das zur Zeit zwischen der EU und der USA verhandelte Freihandelsabkommen Auswirkungen auf die Kommunalpolitik in Waiblingen? Ein globaler Handel hat immer 2 Seiten: der regionale Markt wird gestört, Waren die weltweit gehandelt werden, werden billiger. Ausschreibungen von öffentlichen Dienstleistungen und Baumaßnahmen erfolgen ab einer bestimmten Größe dann nicht mehr europaweit, sondern im Bereich des Freihandelsabkommens. Dieses Abkommen wird geheim verhandelt Umwelt-, Sozial- und Gesundheitsstandards sollen angepasst werden und finanzieller Ertrag ist das oberste Gebot. Streitigkeiten sollen nicht Gerichte sondern Schiedsgerichte entscheiden.

Ich zitiere aus der Erklärung der Kommunalen Spitzenverbände

"Kommunale Selbstverwaltung heißt auch Organisationsfreiheit der Kommunen im Bereich der Daseinsvorsorge. Die Kommunen verantworten die Leistungen der Daseinsvorsorge für ihre Bürgerinnen und Bürger. Die im Europäischen Recht akzeptierte kommunale Organisation der Daseinsvorsorge wird durch die Marktzugangsverpflichtung im Rahmen von Freihandelsabkommen ausgehöhlt. Sollten typische kommunale Dienstleistungen wie die Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung, Sozialdienstleistungen, ÖPNV, Krankenhäuser oder Kultur und Bildung Regeln der Liberalisierung unterworfen werden, würde dies die kommunale Selbstverwaltung in Frage stellen."

Da das jetzt geplante Freihandelsabkommen vor allem den Finanzbereich in den Vordergrund stellt und Sozialstandards, Umwelt- und Verbraucherschutz eher als Hemmnis darstellt, stellt sich die Frage, ob Waiblingen sich der kommunalen Initiative gegen TTIP anschließt.

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