Rede von Frieder Bayer:
Die Haushaltsreden letztes Jahr waren geprägt von der Auseinandersetzung um Stuttgart 21, welches zu einer unendlichen Geschichte wird und zeigt, wie schwierig Großprojekte sind. Es geht um Kosten und um Veränderungen, Verlust von Gewohntem, manchmal um Zerstörung von Produkten der Vergangenheit, Lebenswerke und Lebensmittelpunkt von vielen Menschen, aber auch darum, Neues zu Schaffung. Sie stellen die Frage nach dem technisch Machbaren – der Turmbau zu Babel lässt grüßen. Leider wird Stuttgart 21 ein Fass ohne Boden Auch die Kommunen werden einen höheren Betrag zahlen, wie die jüngsten Beschlüsse des Regionalparlamentes zeigen.
Eine ausgewogene Finanzpolitik ist so schwierig, wie einen Stein auf die Spitze zu stellen. Man muss nur den einen Punkt des Gleichgewichts finden zwischen Sozialen Notwendigkeiten, ökologische Erfordernissen und ökonomischen Bedürfnissen.
Die Finanzsituation der Stadt Waiblingen ist zur Zeit nicht schlecht. Die Steuer- und Gebühreneinnahmen decken die geplanten Ausgaben und erlauben Investitionen bei Sanierungs- und Ersatzbaumaßnahmen. Zuführung zu den Rücklagen ermöglichen auch einen gewissen Schuldenabbau. Doch dies sollte uns nicht übermütig werden lassen. Zum Beispiel sind die geplanten Gewerbesteuereinnahmen trotz Erhöhung des Hebesatzes um fast zehn Prozent niedriger als vor der Finanzkrise 2007. Jede neue Investition – vor allem, wenn sie nicht im energetischen Bereich zum Energieeinsparen stattfindet – erzeugt Folgekosten und sollte genau überlegt werden.
Seit der Konferenz von Rio vor 20 Jahren ist der Begriff der Nachhaltigkeit im politischen Handeln gefordert, der Ausgleich zwischen Sozialem, Ökologie und Ökonomie. Wir sollten uns verpflichten, unsere Entscheidungen einer Nachhaltigkeitsprüfung zu unterwerfen. Dazu bedarf es die Kriterien mit Inhalt zu füllen und dies im Bereich des STEP zu verankern. Für uns, die ALi, stellte sich die Frage, für welche Bereiche die öffentliche Hand eine Verpflichtung zur Daseinsfürsorge hat: nämlich Schaffung geeigneter Infrastruktur als Grundlage für das soziale Leben in Waiblingen. Ob dazu ein Hotel und eine Saunalandschaft gehören, kann man in Frage stellen. Dazu gehören mit Sicherheit: der Auf- und Ausbau von Betreuungsplätzen für Kinder und Jugendliche, genauso wie der Ausbau der Betreuung von älteren Menschen. In diesen Bereichen leisten wir viel und werden in Zukunft noch mehr leisten müssen. Im Zuge des demografischen Wandels wird Betreuung eine öffentliche Aufgabe.
In der Kinder- und Altenbetreuung fehlen Fach- und Arbeitskräfte. Wir haben eine Antwort auf die Frage zu finden, wie man den demographischen Wandel mit Zuwanderung lindern kann. Die Region Stuttgart ist eine der Werkbänke Europas, wir haben einen Fachkräftemangel. In der Vergangenheit haben wir diese Aufgabe immer durch Zuwanderung geregelt, dies wird wohl auch in Zukunft so sein. Die ökonomische Notwendigkeit der Zuwanderung steht außer Frage, wir sollten sie in einen sozialen und ökologischen Rahmen bringen.
Wir reden viel über weitere Flächenversiegelungen und fast alle haben damit scheinbar Schwierigkeiten und doch stimmen wir dann zu. Doch genau hier sollten wir einen Intensiven Nachhaltigkeitscheck machen und uns die einzelnen Punkte genau überlegen. Leider können wir in unserer urbanen Landschaft nicht alle Versieglungen ablehnen, obwohl dabei immer Ökologische Aspekte hinten runter fallen und wir Lebensraum für Flora und Fauna zerstören und Flächen der landwirtschaftlichen Nutzung entziehen.
Zur Zeit findet in Waiblingen die Kinderarmutskonferenz mit ihren verschieden Arbeitsgruppen statt. Das Ziel sollte sein, dass alle Bürger an allen kulturellen sportlichen sozialen Projekten teilhaben können Doch fehlt es an einer Koordinierungs- und Anlaufstelle die eine Übersicht hat über die Vielzahl von Beratungsstellen und Hilfsangeboten in der Stadt und bei den verschieden Problemfällen beratend und helfend tätig werden kann. Wir brauchen eine unabhängige Sozialberatung und ein transparentes Beratungskonzept mit Koordination.
Ein großes Thema dieses Jahr ist die Energiewende. Das Ziel, unsere Energieversorgung mit regenerativen Energien zu gewährleisten – wieder ein Großprojekt mit vielen kleinen Elementen. Energiewende bedeutet aber auch die Abkehr von den großen Energieversorgern hin zu dezentralen Strukturen in Bürgerhand. Wir sollten bei regenerativen Energien trotz der allgemeinen Diskussion über Windenergie, die Solarenergie nicht vergessen, genauso wenig wie die Biomasse. Es laufen hier in einigen Bereichen interessante Forschungen und man sollte die Ergebnisse abwarten, zum Beispiel die Produktion von Biokohle.
Wir in Waiblingen haben hier mit den Stadtwerken gute Voraussetzungen unseren Anteil an der Energiewende umzusetzen: Wind- und Solarenergie können wir nutzen. Energiespeicher können wir schaffen. Leider ist es so, dass wir in der Gemarkung der Stadt Waiblingen und ihrer Ortschaften nur wenige Standorte haben, die für Windenergieanlagen geeignet sind, dies ist im Vorderen Stadtwald auf der Buocher Höhe. Zuerst sollte man die Messungen des noch zu erstellenden Messturmes abwarten. Der Wald hat verschiedene Funktionen doch ist der Waiblinger Stadtwald kein Bannwald sondern ein Wirtschaftswald. Daher findet so oder so jährlich ein Einschlag statt . Die benötige Fläche für zehn Windenergie-Anlagen ist der Einschlag von drei Jahren wobei bis auf ca. 1 500 Quadratmeter je Windenergie-Anlage eine Wiederaufforstung durch Pflanzung bzw. Naturverjüngung stattfindet. Doch wenn die Ergebnisse so sind, dass der Bau von Windenergie-Anlagen möglich ist – haben wir beinahe eine Verpflichtung, diese Windanlagen zu bauen, weil sonst für unsere Energienutzung zum Beispiel in den Braunkohlegebieten jährlich bei fünf Windenergie-Anlagen und drei MW Leistung ca. 5 000 Tonnen Braunkohle abgebaut werden müssen, dies sind in 20 Jahren 100 000 Tonnen. Dies bedeutet: unsere Energienutzung heute heißt Landschaftszerstörung woanders.
Die Forstwege wurden ja Anfang der 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts wegen der Pershing2-Standorte ausgebaut und daher ist der Waiblinger Wald gut ausgebaut. Für die gleiche Leistung E-Strom – eine Windenergie-Anlage mit drei MW Leistung gleich ca. 4 800 Mwh/jährlich – benötigen wir 4,5 MW Solaranlagen oder 18 000 Quadratmeter Fläche oder 75 Hektar Mais für Biogas und E-Strom (Wärme und Strom). Nur um die gleiche Strommenge zu erzeugen, brauchen wir 225 Hektar Mais.
Der Artenschutz spricht ja eher für hohe große Anlagen, weil durch die Höhe der Anlage weniger bis keine Vögel und Fledermäuse gefährdet werden – wegen der Flughöhe der Tiere. Des weiteren ist zum Beispiel für den Roten Milan ein Windrad über dem Wald sicherer als auf dem Offenen Feld wegen seines Jagdverhaltens und weil er in Randzonen zum Wald brütet.
Leider ist das Vordere Remstal vor allem durch den Straßenlärm stark betroffen und gerade deshalb sollten wir Getriebelose Windenergie-Anlagen nehmen, weil diese leiser arbeiten. In der Romantik wurde der Lärm, der bei Energienutzung entsteht, besungen, und es wurde ein beliebtes Volkslied: „Es klappert die Mühle am rauschenden Bach“.
Unser Lebensstil, so wie wir ihn heute haben, ist leider eine ständige Bedrohung für die anderen Arten, mit denen wir unsere Erde teilen. Wie viele Tiere werden im Straßenverkehr getötet. Wie viele Pflanzenarten fallen dem agroindistruellen Komplex zum Opfer! Die Antwort kann nur heißen „Überwindung allen Übels durch Bedürfnislosigkeit“ – aber gehen alle Menschen diesen Weg mit? Ist die Windenergie auch bei uns nicht das kleinere Übel. Wichtig ist, dass die Nutzung der Windenergie nur Teil eines Energiekonzeptes sein kann: Sonne – Wind – Wasser – Biomasse – Speicherung. Klar sollte sein dass die Wertschöpfung aus den Windenergie-Analgen in der Region, sprich bei der Stadt Waiblingen bzw. bei Gemeinden und den Bürgern des Vorderen Remstales bleiben sollte, möglichst durch eine Bürgerenergiegenossenschaft, an der sich jeder Bürger auch mit kleinen Beträgen beteiligen kann.
Die ALi-Fraktion ist nicht jemand, der bei jedem Projekt Hurra schreit, und ich denke, man sollte auch bei der Windenergie und den Standorten die Nachthaltigkeitskriterien anwenden, soziale, ökonomische und ökologische Elemente überprüfen. Wenn man diese Punkte bewertet, kommen wir zum Schluss: Windenergie ist machbar und sinnvoll nutzbar.
Trotzdem – die beste Energie ist die, welche wir nicht brauchen.